Sonntag, 5. November 2017

"Red Hot Nipples"

Die Nacht hat es durchgehend geregnet. Es liegt viel Feuchtigkeit auf den Scheiben. Und noch immer perlen kleine Tropfen auf das Dach. Ich schiebe die Gardinen zur Seite. Sehe Susi's Bus. Unverändert. Keine Bewegung durch die Scheibe zu sehen. Haben etwa 9 Uhr morgens. Das sich bereits heute unsere Wege trennen, weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich räume A nach B um meine Schlafbank wieder zur Sitzbank umzuklappen und dann wieder B nach A um Bettdecke und Rucksäcke, Kamera Equipment etc. wieder zurück hinter die Sitzbank zu räumen. Denke innerlich darüber nach mein System zu optimieren. Finde aber keine Lösung. Ich krame den Brösel Kaffee heraus, öffne die Küchenzeile, lasse Wasser in den Kessel und stelle den Gasherd an. Nachdem ich den ersten Schluck genommen habe kommt Leben in meinen Körper. Ich genieße diese Stille. Dieses Einfache. Man hat einfach nicht mehr zu tun als sich einen Kaffee zu machen und dann den Tag die Kontrolle übernehmen zu lassen. Ein unglaubliches Gefühl von Freiheit. Mit der Tasse in der Hand öffne ich die Schiebetür und schlüpfe in meine Flipflops um über kalt nassen braunen Kiesel zu meiner Nachbarin rüber zu latschen. Sie ist wach und räumt ihren Bus auf. Ich entscheide mich in der nächsten halben Stunde das Brett zu schnappen und in die Wellen zu springen. Sie will sich einen neuen Neo kaufen und noch ein paar andere Erledigungen in der City machen. Man verabredet sich für den Nachmittag - etwa 17 Uhr - sie sagt sie wird dann nachher auch zum Strand kommen. 






Nachdem ich bei Regen ein paar Stunden im Wasser verbracht habe, mache ich mich auf zum Bus. Von Susi keine Spur. Kein Problem - es ist ja erst 15 Uhr. 

Ich setze mich in den Bus. verbringe die Zeit damit im "Stormrider" - einem Surfguide zu blättern, meinen Bus etwas aufzuräumen, festzustellen, dass ich einfach viel zu viele Klamotten mit habe und einen weiteren Kaffee zu trinken. Zwischendurch quatsche ich mit einem netten älteren Mann, der mit seiner Frau seit fünf Jahren in seinem Wohnmobil unterwegs ist. Er kommt gerade aus Afrika und fährt jetzt über Portugal und Spanien erstmal wieder zurück in die Schweiz. Familie treffen. Davor war er im Iran und Griechenland und und und. Ich staune nicht schlecht. Muster sein Gesicht. Alt. Gegerbt. Aber glücklich. Ich bewundere ihn während er erzählt. Er spricht von der Freiheit beim Reisen - wie ich. Nur dass er soviele Jahre älter ist. Der Altersunterschied spielt auf einmal keine Rolle. Man hat die selben Ansichten. Lacht. Tauscht sich aus. Er fragt ob mein Bus ein Syncro ist - so wie viele andere die ihn sehen - nein. Ein einfacher zweirad Bulli. Er macht mir ein Kompliment. Tolles Auto! Ich danke ihm. Dann sagt er, er müsse in die Stadt, neue Reifen für sein Fahrrad kaufen. Wir wünschen uns alles Gute und verabschieden uns. Es ist jetzt knapp 18 Uhr. Über meinen Messenger erreiche ich Susi nicht. Anrufe ebenso wirkungslos. Ich weiß sie tut das öfter. Unerreichbar sein. Ein Lebensgefühl für sie. Ich verstehe das. Mache mir also keine Sorgen und hinterlasse ihr die Nachricht, mich schon mal weiter zum nächsten Punkt in Biarritz aufzumachen und dort einen Übernachtungsplatz zu suchen, da es sonst zu dunkel und zu spät wird. Sie solle nachkommen, sobald sie zurück ist. Biarritz liegt etwa weitere 80 km entfernt. 

In Biarritz angekommen warte ich im Regen und Gewitter auf ein Lebenszeichen von Susi. Es ist nun 21 Uhr. Noch immer kein Zeichen. Ich mache mir etwas Sorgen. Dann schreibt sie aber. Fragt wo ich genau bin und dass sie nachkommt. Weitere Nachrichten bleiben unbeantwortet. Ich suche mir irgendwann leicht genervt einen Parkplatz in einer Bucht am Fuße der Stadt. Direkt am Meer. Hier knallt die Brandung bei Flut gegen die Mauern. Man steht auf Stoß mit anderen geparkten Autos die sich an der Mauer entlang der Bucht reihen. Biarritz ist romantisch hell beleuchtet. Eine schmucke Kleinstadt für maritime Träumer und Surfer zwischen Wohlstand und lässigem Kalifornien Lifestyle. Im Regen jedoch etwas ungenießbar. 

Beim Parken entdecke ich einen Bulli mit einem jungen Pärchen aus Holland. Robin und Nikki. Wir kommen wie so üblich unter Bulli Fahrern ins Gespräch. Erst der übliche Smalltalk über das Fahrzeug. Dann über die Reise. Nachdem ich an meinem Bus zurück bin und mir eine Erbsensuppe einlasse, kommt Robin an mein Fenster. Fragt ob ich Lust habe mit den beiden etwas trinken zu gehen. 

Ich sage zu und wir betreten kurzerhand das Biarritzer Nachtleben. In einer Bar unweit vom Meer setzen wir uns fest. Wir trinken Bier, quatschen. Tiefgründig. Ich fühle mich gut. Man ist unter Leuten. Wieder jemanden kennengelernt. Der Abend verspricht toll zu werden. In dem Laden wird 50er und 60er Jahre Rock 'n' Roll gegeben. Live gespielt von den "Red Hot Nipples". Eine zwei Mann Band die einfach nahezu perfekt darbietet. Ich tanze. Das Bier fließt. Die Stimmung steigt. Von Susi noch immer keine Nachricht. Um 3 Uhr geht es mit leichter Schräglage zurück zum Bulli. Schlafen.









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